Rodungsinsel im Ahornwald
Buch. Geschichte, für viele eine trockene Angelegenheit, ist nicht nur eine Zusammensetzung aus leblosen Jahreszahlen und nüchternen Fakten, sondern sie war einmal Alltag, erfüllt mit Krankheiten, Ängsten und Träumen sowie persönlichen Erfahrungen vieler Frauen, Männer und Kinder." Unter diesem Leitgedanken hatte sich Peter Kernwein auf Spurensuche gemacht und nahm beim Festakt in Buch die Gäste mit auf eine Zeitreise, von den Anfängen von bis zum heutigen Buch. Anschaulich und gut nachvollziehbar beleuchtete er einzelne Zeitpfeiler" und ließ das Leben zu verschiedenen Zeiten vor dem geistigen Auge der Zuhörer entstehen. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte eine Dorfes bilden die Jahreszahlen der großen Weltereignisse nur einen entfernten Rahmen, der sicher auch Einfluss ausübt, spürbar sind aber eher die konkreten Lebensbedingungen der Menschen", meinte Kernwein. Zunächst ging Kernwein den Fragen nach, wie alt Buch nun wirklich ist, und wie die erste Ansiedelung entstanden sein könnte und wie sie wohl ausgesehen hat. Wir können auf eine frühere Besiedelung, also vor der ersten urkundlichen Erwähnung 1102, schließen", war sich der Ortsvorsteher sicher. Als Beweis führte er einige Boden-Urkunden an. Zunächst sprächen die geographischen Gegebenheiten für diese These. Wo Menschen bleiben wollten rriussten Wasser, Wald und Wiese vorhanden sein. Alle drei Komponenten seien am Ahornwald seit frühesten Zeiten gegeben gewesen. Erste sichere Zeichen der Besiedelung unseres Ahornwaldes finden wir in den Hügelgräbern", erläuterte Kernwein. Sie seien etwa um 500 vor Christus von vorkeltischen Stämmen angelegt worden. Viereckschanzen bei Gissigheim und Brehmen wiesen auch auf eine intensivere Besiedelung des Raumes hin. Zudem spielten alte Wege eine große Rolle bei der Ansiedelung zu früheren Zeiten. Ein solcher bekannter Weg stammt ebenfalls von den Kelten, die hohe Straße", fuhr Kernwein fort. Sie führte von Sachsenflur über Oberschüpf, Kupprichhausen durch den Ahornwald nach Buch und biege am Ortsausgang Richtung Gerichtstetten nach links Richtung Sindolsheim ab. Auch habe es eine Römerstraße gegeben, die vom Limes bei Osterburken über Angeltürn und Uiffingen an Buch vorbei nach Esselbrunn und Tauberbischofsheim geführt habe. Ob und wie viele Leute auf der Gemarkung des heutigen Buch gelebt haben, lässt sich heute jedoch nicht mehr rekonstruieren. Mit den Franken dürfte um 500 nach Christus der Ackerbau in Buch Einzug gehalten haben, meinte Kernwein. Mit ihnen sei auch der Apfelbaum gekommen, der den Büchern" nicht nur die sauren Früchte beschert habe, sondern auch den beliebten Moscht". Die frühen fränkischen Bauern brauchten immer größere Nutzflächen für den Ackerbau. Deshalb begannen sie im siebten Jahrhundert mit umfangreichen Waldrodungen. Wahrscheinlich gab es in dieser Zeit eine größere Ansiedelung auf unserer Gemarkung", vermutete Kernwein. Diese könne man sich folgendermaßen vorstellen: Der Grundherr ließ durch Rodung einen Herrenhof anlegen, der sich auf etwa die Hälfte der Gemarkungsfläche erstreckte. Weitere Siedler kamen hinzu und unser Dorf, eine Rodungsinsel im Ahornwald war entstanden", so Kernwein. Diese Vermutung liege nahe, da in der spätere, schriftlichen Zeit das Dorf meist auf drei Besitzer aufgeteilt war, wovon die Hälfte der Herrenhof ausmachte. Danach wanderte Kernwein durch die Jahrhunderte, griff einzelne, markante Ereignisse heraus und gab anhand von Quellen und Überresten, wie Inschriften, Einblicke in kurze Lebensabschnitte und die alltäglichen Gegebenheiten und Lebensumstände zu verschiedenen Zeiten (wir berichteten bereits ausführlich). So beschrieb der Arzt Adolf Kußmaul in seinen Jugenderinnerungen das Leben in Buch zum Ende des 19. Jahrhunderts: In den zwei Jahren, die ich dort zubrachte, sah ich kaum Fremde als Wallfahrer, die vom Heiligen Blut in Walldürn kamen, und Zigeuner, die ebenso plötzlich erschienen als verschwanden." Weiter skizzierte er den Jahresablauf der Bürger, der ganz von der Landwirtschaft geprägt war. Abschließend versuchte Kernwein, der schon lange in Buch lebt, aber kein gebürtiger Bücher ist, den Menschenschlag der Ur-Bücher zu charakterisieren: Der Bücher ist bereit vieles hinzunehmen, geduldig zu ertragen." Dies sei sicherlich geschichtlich bedingt durch den häufigen Wechsel der Obrigkeit, der sicherlich keine Vorteile brachte und einfach hingenommen wurde, solange das Selbstbewusstsein nicht angegriffen wurde. Aber alles wollten die Bücher doch nicht hinnehmen. Drei Beispiele aus verschiedenen Jahrhunderten belegten dies: 1773 sollten nach dem Willen der Herrschaft in Wertheim die neu eingebauten Kirchenbänke aus rohem Holz bleiben. Spontane Geldspenden der Bürger und ein Beitrag der politischen Gemeinde hätten dann doch die gewünschte Farbausstattung in die Kirche gebracht. 1821 schlössen sich alle Orte der Grafschaft Wertheim der evangelisch-protestantischen Kirche an. Nur Buch, Brehmen und Hohenstadt weigerten sich noch 1825 hartnäckig das Abendmahl anders als nach lutherischen Ritus zu empfangen. Sie blieben einfach der Kirche fern. Geld- und Arreststrafen wurden daraufhin verhängt. Im Februar 2002 zogen die Bücher auf die Straße, um für den erhalt ihres Schwimmbades zu demonstrieren. Mit Erfolg. Der Ausgang dieser Geschichte ist ja hinlänglich und auch über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt.hut
Festakt zum 900. Geburtstag von Buch
Ein Dorf mit besonderem Charme
Alle Festredner hoben das große Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger hervor
Buch. Kleines Dorf, großer Gemeinschaftsgeist. So charakterisierte die Prominenz bei den Grußadressen beim Festakt zum 900. Geburtstag von Buch am Freitag im Rathaussaal den Ortsteil von Ahorn. Und damit lagen sie sicherlich richtig. Denn ein Ereignis der jüngsten Vergangenheit dokumentiert und untermauert diese Feststellung: die Sanierung des Schwimmbades Ahorn. In einer beispielhaften Aktion haben die Bürger unter Federführung des Fördervereins durch mehr als 5000 freiwilligen Arbeitsstunden „ihr" Freibad auf Vordermann gebracht und so das Fortbestehen des letzten „Kommunikationszentrums des Ortes" gewährleistet. Und somit haben sie sich selbst das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht.
„Im Vergleich zu den 900 Jahren Buch ist das Thronjubiläum der britischen Königin ein vergleichsweise bescheidenes Ereignis", meinte Ortschaftsrätin Uta Lauber bei der Begrüßung. Deshalb dürften die Bürger Buchs durchaus Stolz auf ihr Dorf und dessen Geschichte sein. Zahlreiche Völkergruppen seien in der Vergangenheit vorbeigekommen und hätten die Entwicklung von Buch geprägt. Und was letztendlich dabei herausgekommen sei, könne sich durchaus sehen lassen. „Buch ist ein Dorf mit besonderem Charme", meinte Lauber. „Sowohl Gebürtige als auch Zugezogene fühlen sich hier wohl."
„Es ist ein schönes Zeichen der Heimatverbundenheit, dass alle Vereine zusammen diese Geburtstagsfeier ausrichten", stellte Bürgermeister Elmar Haas fest. Doch ein solcher Geburtstag gebe auch Anlass, einen Blick in die wechselvolle Geschichte mit Höhen und Tiefen zu werfen. Die Entwicklung Buchs sei nicht nur von den „Großen", den Fürsten und Herrschern, geprägt worden, sondern auch von den „Kleinen", dem gemeinen Volk. „Die Geschichte von Buch ist in erster Linie auch die Geschichte der Bürger und deren Alltagsleben, das über Jahrhunderte durch die Landwirtschaft und den Glauben geprägt worden war", so das Gemeindeoberhaupt. Die über die Zeit entstandene große Verbundenheit der Bücher mit ihrem Ort sei heute noch unübersehbar.
Das Gemeindeoberhaupt erwähnte auch den Einfluss der Großgemeinde Ahorn auf die Entwicklung ihres Ortsteils Buch: „1,5 Millionen Euro sind in der jüngsten Vergangenheit in die Dorfentwicklung, speziell für das Schwimmbad, die Ortsdurchfahrt und die Erschließung des Neubaugebietes geflossen." Auch Haas zollte den Büchern für ihr Engagement bei der Freibadsanierung ein dickes Lob.
Bundestagsabgeordnete Brigitte Adler (SPD) erinnerte an die Menschen, die die Geschichte mitgestaltet haben, aber in keinem Geschichtsbuch erwähnt werden. „Der heutige Lebensstandard ist kein Geschenk von irgendwem, sondern wurde von unseren Vorfahren hart erarbeitet und erkämpft", konstatierte Adler. Ihr Verdienst sei es, dass Buch nicht mehr, je nach Belieben der Obrigkeit hin- und hergeschoben werde, sondern selbst über sein Schicksal mitbestimmen könne. Beim Schwimmbad sei dies beispielsweise geschehen. Da habe die Dorfgemeinschaft aufbegehrt und Druck von der Basis gemacht und so letztendlich zu einem guten Ergebnis maßgeblich beigetragen.
Die Verbundenheit des Landkreises mit seinen Kommunen unterstrich Kreiskämmerer Hermann Kaißling. Der Geburtstag sei auch Ansporn, das Bestehende weiter zu entwickeln. Kaißling appellierte deshalb an die Bürger, die „koummunale Selbstverwaltung mitzugestalten". „Man muss zusammenstehen, wenn man vorwärts kommen will", meinte Kaißling .
Hohenstadts Ortsvorsteher Peter Sobik verglich die fünf Ahorner Ortsteile mit Geschwistern, die sich zwar bisweilen streiten, am Ende aber doch zusammenhalten. Und auch er stellte fest: „Mit der Einweihung des Schwimmbades haben die Bücher für das Sahnestück selbst gesorgt."
Pfarrer Dr. Rolf Binder stellte seine Grußadressse unter das Motto „Gedenke der vorigen Zeiten". Es sei für jeden Menschen nützlich darüber nachzudenken, woher er und seine Lebensumstände kommen. So erinnerte er daran, dass Buch offiziell 900 Jahre alt ist, tatsächlich aber die Geschichte des Dorfes schon älter sein dürfte. Binder verglich dies mit der Christianisierung der Region. Lange bevor Würzburg zum Bischofssitz erhoben worden sei, habe Bonifatius die Region missioniert. „Zuerst kommt das Leben und die Menschen und erst dann die Konstituierung zu einer Gemeinschaft mit einer festen Hierarchie", so der Pfarrer. Deshalb gehe er auch davon aus, dass Buch bestimmt 1300 Jahre alt sei.
„Als der Pfarrer gerechnet hat, bin ich ins Schwitzen gekommen", meinte Rudi Müller, Bankvorstand der Volksbank Kirnau. Er wollte Buch für jedes Lebensjahr einen Euro, also 900 Euro, überreichen. „Jetzt befürchte ich, dass noch Forderungen nach einer Aufbesserung kommen", meinte Müller scherzhaft. Weiter hob er die gute Zusammenarbeit seines Geldinstitutes mit den Büchern hervor. „Wir haben uns hier immer wohl gefühlt und sind froh, 100 Jahre lang an der Entwicklung des Dorfes beteiligt gewesen zu sein."
Für die musikalische Umrahmung des Festaktes sorgten der Posaunenchor unter Leitung von Kurt Meyer sowie der Gesangverein Frohsinn unter Leitung von Viktor Schwarz. Die Anmoderation der Grußworte hatte Josefa Kempf übernommen, einen abschließenden Überblick über das Fest gab Ortschaftsrat Walter Wüst.
Das humoristische Glanzlicht des Abends setzte Herbert Reichert mit seinem Mundartgedicht über das harte Leben eines Knechtes, für den das schönste am Tag das „Bücher Nachtleiten" war. Nicht zuletzt durch diese Einlage, den musikalischen Zwischenspielen sowie dem anschaulichen und gut verständlichen Streifzug durch die Geschichte von Peter Kernwein (siehe gesonderten Bericht) kam während des drei Stunden dauernden Festaktes keinerlei Langeweile auf. Information und Unterhaltung hielten sich die Waage, so dass viele noch zu einem gemütlichen Schwatz sitzen blieben.
Während die „ältere" Generation den Festakt bei einem gemütlichen Plausch im Rathaussaal ausklingen ließ, drangen schon die ersten Töne vom Jugendheim herüber. Dort fand nämlich eine Rocknacht statt, bei der sich die Jugend des Dorfes und der Umgebung traf. Keine Konkurrenz, sondern Ergänzung. Wie es sich bei einem Fest von allen für alle eben gehört. Und zu vorgerückter Stunde traf sich dort sicherlich jung und alt, um gemeinsam zu feiern. Zusammen halt.
hut
Brauchtumsschau
Buch ließ alte Zeiten wieder aufleben
Buch. Für viele Kinder dürfte das eine ganz neue Erfahrung gewesen sein. Viele Geräusche, die am gestrigen Sonntag aus Scheunen, Werkstätten, Ställen und Höfen in Richtung Straße drangen, hatten sie sicherlich noch nicht gehört. Die Brauchtumsschau in Buch ließ alte Zeiten wieder aufleben, in denen das Handwerk noch goldenen Boden hatte. Damals gehörten Schmied, Besenbinder, Töpfer, Seiler, Steinmetz und viele mehr noch zum Ortsbild. Das Dreschen, Mosten, Grünkern darren, Butter machen und Spinnen war je nach Jahreszeit Alltagsarbeit. Zudem gab es Stationen, die das Leben und Arbeiten in Buch in der heutigen Zeit darstellten. Wer mehr Bilder von der Brauchtumsschau sehen möchte, kann dies im Internet unter der Adresse www.fnweb. de (Bildergalerie). hut